Alle hoffen auf Martin Wolframs Versöhnung mit Olympia

09.07.2020, 11:39Uhr

Es soll Martin Wolframs Versöhnung mit Olympia werden, aber noch müssen die deutschen Wasserspringer*innen ein wenig auf die Rückkehr ins Wettkampfgeschehen warten. Zwar wird an den Bundesstützpunkten inzwischen wieder fleißig trainiert, aber zum Beispiel Synchronsprünge können auch dort derzeit nur dann geübt werden, wenn Partnerin oder Partner am gleichen Stützpunkt beheimatet sind. Auf gemeinsame Trainingslager oder Reisen wird aus Gründen des Gesundheitsschutzes derzeit noch verzichtet. Einzig Bundestrainer Lutz Buschkow wird Ende Juli alle Trainingszentren für eine individuelle Leistungsüberprüfung anfahren, um sich vor Ort persönlich ein Bild vom Stand der Vorbereitungen auf die auf 2021 verschobenen Olympischen Spiele in Tokio (23. Juli. – 08. August) und dem vorherigen Qualifikations-Weltcup an gleicher Stelle (23. – 28. Februar) zu machen.

„Zum regulären Olympiatermin wäre meine Olympia-Teilnahme wohl nicht zu schaffen gewesen. Aber dann hat das Schicksal eingegriffen“

Martin Wolframs Versöhnung mit Olympia

Besonders genau hinschauen wird Buschkow dann natürlich bei Martin Wolfram. Denn während die Coronavirus-Pandemie alle anderen Kader im Deutschen Schwimm-Verband e.v. (DSV) in den Vorbereitungen auf Olympia ausbremste, rettete die Verschiebung auf 2021 dem Dresdener überhaupt erst die Chance zur erneuten Teilnahme. Die bereits vierte Schulter-Operation Ende Januar bei Prof. Dr. Markus Scheibel in Potsdam schien nach einem Trainingsunfall alle Träume zerstört zu haben. „Zum regulären Olympiatermin wäre meine Olympia-Teilnahme wohl nicht zu schaffen gewesen. Das Ganze hätte womöglich sogar meine Karriere beendet. Aber dann hat das Schicksal eingegriffen“, erklärte Wolfram.

Nach vorsichtigem Beginn mit leichten Übungen vom 1m-Brett arbeitete sich der 28-Jährige zuletzt wieder an sein vorheriges Fitnesslevel heran, wagt inzwischen wieder 15 Sprünge pro Tag vom 3m-Brett. Bald sollen es dann wieder bis zu 100 werden. „Bei den ersten Sprüngen war ich richtig aufgeregt, zum Glück hat dann alles gut geklappt“, erzählte Wolfram. Denn er hatte ja nicht nur leichte Tage durchlebt. „Zwischendurch war ich schon mal kurz vorm Verzweifeln und habe gedacht, vielleicht will dein Körper dir ja auch sagen: Lass das doch endlich sein. Aber dafür hatte er in mir keinen guten Ansprechpartner, ich bin schlecht im Loslassen. Ich habe dann innerlich trotzig geantwortet: Ich will das!“

Vor Martin Wolframs Versöhnung mit Olympia stehen schmerzhafte Sprünge in London und Rio

Denn Wolfram hofft sehr auf eine Versöhnung mit Olympia. In London 2012 und auch in Rio 2016 stand er bereits jeweils im Finale vom Turm, doch es blieben ihm Ende vor allem schmerzhafte Erinnerungen. Vor acht Jahren kugelte er sich dort nämlich erstmals die Schulter aus, deren Verletzung auch im Halbfinale 2016 wieder auftrat. Dass Wolfram den Wettkampf in Brasilien trotzdem zu Ende bestritt und sogar Fünfter wurde, hätte ihm in einem anderen Sport womöglich Heldenstatus verschafft.

Es blieb damals übrigens sein letzter großer Auftritt vom Turm. In seiner Lieblingsdisziplin, in der er 2015 in Rostock Europameister geworden war. „Als ich nach Rio zum dritten Mal unterm Messer lag, wurde mir bewusst, dass ich nicht auf den Turm zurückgehen kann. Die Belastung für die Schulter ist einfach zu groß aus 10 Metern.“ Wolfram musste sich fortan also umorientieren auf das 3m-Brett, um dem Wasserspringen treu bleiben zu können. Das hat auch ganz prima geklappt. Das Olympiaticket für Tokio schien bereits greifbar nah, da Wolfram in dieser Saison auch im Synchronwettbewerb mit seinem neuem Partner Moritz Wesemann (Aachen) glänzte und das etablierte Berliner Paar Patrick Hausding/Lars Rüdiger übertrumpfte.

Martin Wolfram setzt sich trotz aller Probleme mutig hohe Ziele

Doch dann streikte plötzlich wieder die Schulter, alles schien von einen Tag auf den anderen vorbei. Doch inzwischen kann Wolfram wieder hoffen. Und kämpfen. Für ein versöhnliches Finale seiner olympischen Karriere. Vielleicht eines mit Medaille, dafür ohne Schmerzen. „Ich will wieder einer der Besten sein, jetzt erst recht“, sagte Wolfam über seine Ziele. „Wenn man mal Weltspitze war, will man immer wieder dahin zurück. Top 5 und nicht Top 20. Im Moment klingt das ziemlich mutig, aber verloren hat nur der den Kampf, der schon vorher aufgibt.“

Bundestrainer Lutz Buschkow kann sich also freuen, denn dank Wolfram treibt der interne Konkurrenzkampf die Seinen in der Olympiavorbereitung sicher maximal an. Zudem wächst mit Wolfram wohl auch ein fähiger Trainerkollege heran. Zumindest hat er zuletzt in seiner unerwartet trainingsfreien Zeit die B-Lizenz erworben und arbeitet mittlerweile am A-Schein. „Als Fachangestellter für Bäderwesen habe ich erst Kindern Schwimmen beigebracht und dabei gemerkt, dass meine Vermittlung Anklang findet und mir diese Arbeit derart Spaß macht, dass ich nun Trainer werden möchte“, sagte Wolfram. Der Mann liebt seinen Sport demnach sehr, trotz mancher Schmerzen. Und in Sachen Einstellung und Durchhaltevermögen macht ihm sicher keiner was vor.