Die Normknacker im Schwimmen: Glorreiche Sieben im Wartemodus

13.05.2020, 11:35Uhr

Als einziger Deutscher war Marco Koch Mitte Januar 2020 ins 9.000 Kilometer entfernte Shenzhen (CHN) gereist. Der lange Flug in die 13-Millionen-Metropole sollte sich lohnen. Am zweiten Wettkampftag der lukrativen FINA Champions Swim Series erfüllte der 30-Jährige von der SG Frankfurt als erster Beckenschwimmer die Olympianorm für Tokio und wir damit zum ersten deutschen Normknacker im Schwimmen. Dass die Olympische Spiele auf 2021 (23. Juli – 08. August) verschoben werden müssen, war da noch nicht abzusehen.

Der Qualifikationszeitraum hatte laut Nominierungsrichtlinien erst am Neujahrstag begonnen. Enden sollte er mit den Deutschen Meisterschaften in Berlin am 03. Mai 2020.

„Ich bin sehr glücklich, dass es gleich im ersten Anlauf funktioniert hat und ich nun zum dritten Mal Olympia erleben kann“, jubelte also Ex-Weltmeister Koch.

Als Zweiter hatte er in 2:09,81 Minuten die Tokio-Norm um neun Hundertstel unterboten. Mit seinem neuen Trainer Dirk Lange will sich Koch nun den Traum von der Olympiamedaille trotz der Verschiebung um ein Jahr erfüllen – es ist die nämlich einzige, die in seiner Sammlung noch fehlt. Der Deutsche Schwimm-Verband e.V. (DSV) wird Athleten wie Koch, die die Olympianorm vor der Coronavirus-Zwangspause unterboten, im nächsten Jahr zur Nominierung vorschlagen.

Auch Heintz sichert dritte Olympiateilnahme

Auch Philip Heintz ist einer der Normknacker im Schwimmen und sichert sich damit seine dritte Olympiateilnahme. Der 28-Jährige vom SV Nikar Heidelberg hatte beim Euro Meet in Luxemburg am 26. Januar die 200m Lagen in 1:58,92 Minuten gewonnen und so das Ticket für Japan gebucht. Heintz hätte von einer Klausel in den nationalen Nominierungskriterien profitieren können, die besagt: Alle, die bei der WM 2019 Platz vier oder besser belegten, haben bei Nachweis der FINA Olympic Qualifying Time (OQT) die Nominierung für Japan sicher. Heintz unterbot die OQT (1:59,67) dann ebenso wie die DSV-Olympianorm (1:59,40).

„Ich freue mich wahnsinnig, es fühlt sich genauso schön an wie beim ersten Mal 2012. Die Qualifikation schon so früh im Januar geschafft zu haben, ist eine riesen Erleichterung und auch gut, wenn man dort etwas reißen will“, erklärte Heintz.

Dass er ein ganzes Jahr mehr Zeit zur Vorbereitung bekommen würde, konnte der WM-Vierte von 2019 da noch nicht ahnen.

Florian Wellbrock hat schon drei Olympiastarts sicher

Am 07. Februar buchten dann auch die WM-Helden Sarah Köhler und Florian Wellbrock beim „MWG Swim-Cup“ in Magdeburg das Olympia-Ticket. Beim kleinen Schwimmfest in ihrer Wahlheimat wurde Köhler in 8:29,96 Minuten zum Normknacker über 800m Freistil. Zwei Tage sicherte sich die WM-Zweite den Tokio-Startplatz auch über 1500m Freistil in 16:03,76 Minuten.

„In Rio war das Erreichen des Olympiafinales ein großer Erfolg, diesmal träume ich von etwas mehr“, verriet Köhler.

Auch ihr Freund darf Ambitionen hegen. In 14:46,61 Minuten über 1500m Freistil blieb der Doppel-Weltmeister weiter unter der OQT von 15:00,99 und qualifizierte sich so für die Beckenwettbewerbe. Für den Freiwasser-Start über 10km hatte der 22-Jährige den Startplatz als WM-Sieger bereits sicher, zwei Tage später blieb er in 7:49,44 Minuten auch unter der DSV-Norm über 800m (7:50,30). Da er so schnell noch nie zuvor war zu diesem frühen Saisonzeitpunkt, stieg der Optimismus:

„In den letzten beiden Jahren hatte ich immer das Pech, über den Winter krank zu werden. Diesmal bin ich zum Glück gut durchgekommen und deswegen ist diese Zeit so super.“

Nun gilt es jedoch, auch im nächsten Winter stets gesund zu bleiben.

Auch Rückenschwimmerin Laura Riedemann vom SV Halle/Saale unterbot sie in Magdeburg über 100m die DSV-Olympianorm um 11 Hundertstel und wird so ebenfalls zum Normknacker im Schwimmen. „Im Vorjahr bin ich hier in Magdeburg auch schon die WM-Norm geschwommen, deswegen war ich hier entsprechend motiviert“, freute sich die Lehramt-Studentin. „Nun freue ich mich auf Tokio. Ich bin optimistisch, dass im Saisonverlauf meine Bestzeit und auch der deutsche Rekord fallen werden.“ Dieser Plan wurde nach einem weiteren Höhentrainingslager in der Sierra Nevada (ESP) vom Coronavirus leider gebremst.

Für Marius Kusch geht ein Kindheitstraum in Erfüllung

Ein Doppelschlag folgte am 6. März. Bei der Tyr Pro Swim Series in Des Moines (Iowa) belegte Kurzbahn-Europameister Marius Kusch (SG Essen) über 100m Schmetterling in 51,68 Sekunden den dritten Platz hinter Weltmeister Caeleb Dressel (50,92) und Michael Andrew (51,33/beide USA). Die DSV-Normzeit von 51,80 hatte Kusch im Vorlauf (51,54) bereits unterboten. „Mich für Olympia zu qualifizieren, war immer mein Kindheitstraum gewesen“, jubelte Kusch.

Jacob Heidtmann hatte kurz zuvor über 400m Lagen in 4:12,40 Minuten sogar den Sieg gefeiert, hier lag die Normzeit bei 4:15,00.

„Ich freue mich sehr drauf, das Kapitel Olympische Spiele für mich neu zu schreiben“, erklärte der Elmshorner.

„Natürlich ist es noch irgendwo im Kopf, dass ich in Rio 2016 als Vorlauffünfter disqualifiziert wurde. Auch wenn ich immer noch der Meinung bin, dass ich damals zu Unrecht disqualifiziert wurde, motiviert mich die Tatsache, dass mir damals das Finale genommen wurde. Ich bin dabei aber total positiv und habe auch keine Angst, ich wurde seither ja nie wieder disqualifiziert.“ Die beiden Freunde trainieren bei Trainer David Marsh beim Team Elite in San Diego.

Die Normknacker im Schwimmen als Übersicht (Stand Mai 2020):

Normknacker Strecke und Zeit
Marco Koch 200m Brust in 2:09,81
Philip Heintz 200m Lagen in 1:58,92
Sarah Köhler 800m Freistil in 8:29,96
1500m Freistil in 16:03,76
Florian Wellbrock 1500m Freistil in 14:46,61
800m Freistil in 7:49,44
Laura Riedemann 100m Rücken in 59,89
Marius Kusch 100m Schmetterling in 51,54
Jacob Heidtmann 400m Lagen in 4:12,40