© Jo Kleindl
Natürlich ist auch Lucas Gielen zuallererst betrübt, dass beim Olympia-Qualifikationsturnier der Wasserballer vom 14. – 21. Februar in Rotterdam (NED) wegen der Pandemie keine Zuschauer*innen zugelassen sind. Die Stimmung in einer leeren Halle sei nun einmal nicht vergleichbar mit vollen Rängen. Für seine holländischen Freunde und Verwandte, die sonst vor Ort dabei gewesen wären, hat die Regelung aber auch Vorteile. Immerhin kommen sie so nicht in Verlegenheit, womöglich im falschen Moment zu jubeln, wenn Gielen mit dem DSV-Team am Sonntag (16:00 Uhr, kostenpflichtiger Livestream auf finatv.live) zum Auftakt gegen die Niederlande antritt: zum Duell mit der eigenen Vergangenheit.
Duell mit der eigenen Vergangenheit
„In erster Linie drücken sie natürlich mir die Daumen. Aber gleichzeitig halten sie auch zu ihrem eigenen Team, das ist ja auch verständlich“, sagt Gielen. Der Centerverteidiger stammt aus dem Nachbarland, aus Utrecht, spielt allerdings seit 2019 für die deutsche Nationalmannschaft. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass er nun gerade in den Niederlanden um das Olympiaticket kämpft. Und dabei zum Start ausgerechnet auf seine alte Heimat trifft.
Druck? Nein, Motivation!
„Ich mag diese besondere Herausforderung“, sagt er. „Je mehr Augen auf mich gerichtet sind, umso besser spiele ich. Das kitzelt bei mir immer noch ein paar extra Prozente heraus. Das Spiel gegen die Niederlande ist für mich eine gute Gelegenheit, um zu zeigen, weshalb ich mich vor zwei Jahren für den DSV entschieden habe.“
In Deutschland erkannte Lucas Gielen schon damals die größeren Chancen, sich seinen Traum von Olympia zu verwirklichen. Bei der WM 2019 in Gwangju (KOR) lief der Mann von Rekordmeister Wasserfreunde Spandau 04 erstmals für das DSV-Team auf – das Ergebnis dort bestätigte ihn in seiner Entscheidung. Deutschlands Wasserballer belegten am Ende Platz acht und hielten auch gegen die Top-Teams gut mit. Die Holländer dagegen waren für das Turnier nicht einmal qualifiziert. „In Deutschland habe ich international bessere Möglichkeiten. Der Wechsel war für mich ein großer Schritt nach vorne. Die Philosophie von Bundestrainer Hagen Stamm hat mich bis heute überzeugt.“
Mit Stamm hat sich Gielen zuletzt immer wieder ausgetauscht und ihm wertvolle Tipps für das Spiel gegen die Gastgeber mitgegeben. Beide wissen um die Bedeutung dieser Partie – nicht nur wegen der besonderen persönlichen Konstellation.
„Es ist wichtig, dass wir dieses Spiel gewinnen, damit wir gleich mit einem guten Gefühl in das Turnier starten. Wir wollen in unserer Gruppe mindestens Zweiter werden und uns so für das Viertel- und Halbfinale in eine gute Ausgangsposition bringen. Da ist ein Sieg gegen die Niederlande Pflicht.“
Nur die ersten drei des Turniers lösen am Ende das Ticket für Tokio.
Vor vier Jahren stand er noch auf der anderen Seite
Für den 30-Jährigen ist es das erste Spiel mit dem DSV-Team gegen seine früheren Kollegen. Andersherum gab es in der Vergangenheit schon einige Duelle. 2012 trafen beide Länder schon einmal in der Olympiaqualifikation aufeinander – Gielen und die Holländer verloren damals mit 6:11, am Ende verpassten aber beide Mannschaften das Ticket zu den Spielen. Bei der Olympia-Quali 2016 siegte die Niederlande dann mit 9:8 und landete in der Endabrechnung vor den Deutschen. „Damals haben wir zum Auftakt gleich die favorisierten Spanier geschlagen und haben den Schwung dann in das weitere Turnier mitgenommen. Auch das zeigt noch einmal, wie wichtig ein guter Start ist“, sagt Gielen.
Gute Vorbereitung ist dabei die halbe Miete. Das DSV-Team verbrachte die vergangenen sechs Wochen fast durchgehend in der Sportschule der Bundeswehr in Warendorf. „Es war hart, aber es hat sich gelohnt. Die Energie und Atmosphäre in der Mannschaft sind großartig, das macht gerade richtig Spaß“, sagt Gielen. Neben dem Wasserball betreibt er zusammen mit seiner amerikanischen Freundin Nola in New York (USA) einen Lieferdienst für hochwertige Cocktails. „Sie ist eine der besten Barkeeper in New York. Cocktails mischen ist Kunst, und sie ist die Künstlerin bei uns. Ich bin eher der Marketingtyp, aber ein bisschen was habe ich mir trotzdem abgeschaut“, sagt Gielen und lacht. „Wenn es in Rotterdam etwas zu feiern gibt, könnte ich also sicher etwas organisieren.“