„Wir sind auf dem richtigen Weg“

05.04.2021, 13:32Uhr

"Wir sind auf dem richtigen Weg"© Jo Kleindl

Gleich zu Beginn des Qualifikationszeitraums für die Olympischen Spiele in Tokio (23. Juli -08. August) im Deutschen Schwimm-Verband e.V. (DSV) haben mit Leonie Kullmann (SG Neukölln), David Thomasberger (SSG Leipzig) und Fabian Schwingenschlögl (Neckarsulmer Sport-Union) drei weitere Athlet*innen die Normzeiten erfüllt. Zurücklehnen will sich bis zum finalen Wettkampf-Höhepunkt der Olympiaqualifikation in Berlin (16. – 18. April) deswegen aber keiner von ihnen.

„Es war einfach Zeit, dass der Knoten bei mir platzt und mal so eine Bestzeit herausspringt“, sagt Schwingenschlögl. Der 29-Jährige war über 100m Brust als erster Deutscher unter 59 Sekunden geblieben und hatte den zwölf Jahre alten deutschen Rekord um zwei Zehntel auf 58,95 verbessert. „Ich wollte es unbedingt, hatte mir in den vergangenen Wochen auch ausreichend Momentum aufgebaut. Ich weiß schon länger, dass ich auch international vorn mitschwimmen kann und auch möchte. Ich habe in den letzten Jahr entsprechend gut trainiert und musste nur mal alles zusammenbringen. Das ist mir jetzt gelungen.“

Tabelle Bisherige Normerfüllungen

Name Strecke Zeit Datum Wettkampf Ort DSV-Normzeit
Sarah Köhler 1500m Freistil 15:48,83 23.07.19 WM (2.Platz) Gwangju (KOR) 16:16,00
Philip Heintz 200m Lagen 1:56,86 25.07.19 WM (4.Platz) Gwangju (KOR) 1:59,40
Sarah Köhler 800m Freistil 8:16,43 27.07.19/td> WM (4.Platz) Gwangju (KOR) 8:30,00
Florian Wellbrock 1500m Freistil 14:36,54 28.07.19 WM (1. Platz) Gwangju (KOR) 14:59,00
Franziska Hentke 200m Schmetterling 2:07,30 25.07.19 WM (4.Platz) Gwangju (KOR) 2:08,20
Marco Koch 200m Brust 2:09,81 15.01.2020 Fina Champions Swim Series Shenzhen (CHN) 2:09,90
Florian Wellbrock 800m Freistil 7:49,44 09.02.20 MWG Swim Cup Magdeburg 7:50,30
Laura Riedemann 100m Rücken 59,89 09.02.20 MWG Swim Cup Magdeburg 1:00,00
Marius Kusch 100m Schmetterling 51,54 06.03.20 Tyr Pro Swim Series Des Moines/Iowa 51,80
Jacob Heidtmann 400m Lagen 4:12,40 06.03.20 Tyr Pro Swim Series Des Moines /Iowa 4:15,00
David Thomasberger 200m Schmetterling 41:55,04 03.04.21 Olympiaqualifikations-Wettkampf Heidelberg 1:56,30
Fabian Schwingenschlögl 100m Brust 58,95 03.04.21 Olympiaqualifikations-Wettkampf Heidelberg 59,80
Leonie Kullmann 400m Freistil 4:07,44 03.04.21 Olympiaqualifikations-Wettkampf Heidelberg 4:07,50

Die Olympischen Spiele in Rio 2016 hatte Schwingenschlögl noch knapp verpasst, war seither aber als schnellster deutscher Brustschwimmer bei allen internationalen Großevents am Start gewesen. Nun erlebt er kurz vor dem 30. Geburtstag wohl seine Olympiapremiere. Dass seinen Rekord innerhalb der nächsten zwei Wochen gleich zwei Landsleute unterbieten, ist nämlich eher unwahrscheinlich. Wobei mit Lucas Matzerath im Saisonverlauf immerhin ein junger Herausforderer auf den Plan getreten war, der die geforderte Normzeit (59,80) im Dezember auch schon mal unterbot. „Es ist gut, wenn jemand da ist, der einen pusht. Es würde mich freuen, wenn es nun auch Lucas schafft und mitdarf nach Japan, denn so treiben wir uns an und das stärkt wiederum auch Deutschlands Lagenstaffel. Auch unser Schmetterling Marius Kusch ist in Topform, die Rückenschwimmer treiben sich mächtig an, das alles kann nur gut sein für uns.“

An den kommenden beiden Wochenenden will Schwingenschlögl versuchen, seine Zeit in Eindhoven bzw. Berlin sogar noch zu steigern, ehe er sich dann auf die Olympiavorbereitung konzentriert. Seinen Ingenieurs-Beruf als Fertigungsplaner in einer Firma des Siemens-Konzerns, die Solarwechselrichter produziert, will er wie in den vergangenen drei Jahren mit 20 Teilzeit-Stunden pro Woche dabei aber trotzdem weiter ausüben.

David Thomasberger schenkt seinem Trainer ein Lächeln in schwerer Zeit

Etwas anders sieht da die Planung bei David Thomasberger aus. Der 25-Jährige lässt seinen Job als Elektroingenieur für Betriebstechnik seit über einem Jahr ruhen und konzentriert sich als Sportsoldat gerade komplett auf die Vorbereitung für Tokio. Bisher hat sich diese Entscheidung für ihn ausgezahlt, in Heidelberg erfüllte der Leipziger ebenfalls auf Anhieb die Normzeit und verbesserte den deutschen Rekord über 200m Schmetterling gleich zweimal auf nun 1:55,04 Minuten. „Alles ist gelaufen wie erhofft, ich bin super happy“, erzählte Thomasberger. „Nach dem Vorlaufrekord musste ich erstmal das Handy ausschalten, weil so viele Glückwünsche reinkamen und ich mich gar nicht mehr konzentrieren konnte. Die Verbesserung am Nachmittag ist dann auch mit Blick auf die internationale Bühne ein guter Schritt für mich gewesen. Das motiviert, denn natürlich hoffe ich, das Ganze in Richtung Tokio noch einmal etwas steigern zu können.“

„Die Werte im Training waren sehr gut. Vermutlich hätte ich die Welt nicht mehr verstanden, wenn es danach nicht für die Olympianorm gereicht hätte.“

Auch war die Glanzleistung zu Ostern ein Gruß an Trainer Frank Embacher, der wegen eines Krankheitsfalls in der Familie gerade ganz andere Sorgen hat. „Um so schöner, dass es bei der ersten Gelegenheit geklappt hat und meine Leistung ihm vielleicht ein kleines Lächeln schenkt“, sagte Thomasberger. Embachers Trainingsgruppe hatte sich zuletzt gegen Reisen ins Ausland entschieden und alle Trainingslager lieber daheim durchgeführt. „Die Werte, die ich dabei geschwommen bin, waren sehr gut und haben mich beflügelt. Vermutlich hätte ich die Welt nicht mehr verstanden, wenn es danach nicht für die Olympianorm gereicht hätte“, erzählte Thomasberger. Nach dem starken Auftritt in Heidelberg will er nun erst recht vorsichtig bleiben und verzichtet auf den ursprünglich für nächste Woche geplanten Trip zum Wettkampf nach Stockholm. „Die Aussagen zur Quarantäne bei der Rückehr sind zu schwammig. Wir haben Heidelberg ganz bewusst in den Fokus gerückt, um die erste Chance zu nutzen.“ In Berlin kann er nun viel gelassener an den Start gehen.

Leonie Kullmanns unerwarteter Mutmacher für die Berliner Trainingsgruppe

Leonie Kullmann war froh, dass sie die weite Autofahrt nach Heidelberg überhaupt angetreten hatte. Noch zu Wochenbeginn war ihr Unwohlsein so groß gewesen, dass sie am Mittwoch in der Charitè vorsichtshalber eine Blutuntersuchung durchführen ließ. „Das war nach der langen Vorbereitung beängstigend, ich fühlte mich plötzlich mies wie nie. Aber da kein Befund vorlag, haben Trainer Lasse Frank und ich gesagt, dass wir bei diesem Wettkampf ja nichts zu verlieren haben.“ Am Ende gewannen sie viel, über 400m Freistil erfüllte Leonie Kullmann in 4:07,44 Minuten nämlich schon mal die Olympianorm für Tokio. Die nächsten Rennen in Berlin schaut sie daher nun deutlich entspannter entgegen, dort will sich Leonie dann auch für die 200m Freistil in der Staffel anbieten. „Mein Ziel sind da eine 1:57, das traue ich mir zu“, sagte sie. Zudem ist ihre unerwartete Normzeiterfüllung auch ein beruhigendes Zeichen an die gesamte Berliner Trainingsgruppe, zu der auch Leonies Freund Ole Braunschweig und Ramon Klenz gehören. „Alle wissen nun, wir sind auf dem richtigen Weg. Mit mehr Ruhe sollten wir in zwei Wochen dann alle schnell genug sein für Olympia“, sagte Leonie Kullmann.

Bundestrainer Hannes Vitense schätzt die gezeigten Leistungen in Heidelberg ganz ähnlich ein, man dürfe nach diesem Auftakt getrost noch einiges erwarten. „Es war gut für unsere Schwimmer*innen zu sehen, dass sie der Lockdown nicht ausgebremst hat, sondern Bestzeiten und Rekorde möglich sind. Wir erhoffen uns, dass wir im Sommer dann ein Team aus 25 bis 30 Leuten nach Tokio schicken können.“

Die DSV-Normzeiten für Tokio 2021

Frauen Strecke Männer
24,75 50m Freistil 21,95
54,10 100m Freistil 48,50
1:57,20 200m Freistil 1:46,70
4:07,50 400m Freistil 3:46,40
8:30,00 800m Freistil 7:50,30
16:16,00 1500m Freistil 14:59,00
1:07,00 100m Brust 59,80
2:24,90 200m Brust 2:09,90
1:00,00 100m Rücken 53,70
2:09,50 200m Rücken 1:57,00
57,90 100m Schmetterling 51,80
2:08,20 200m Schmetterling 1:56,30
2:11,90 200m Lagen 1:59,40
4:38,40 400m Lagen 4:15,00